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Reifenfreigaben für das Bike noch nötig?


ride on

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Mit dem Verzicht der Fabrikatsbindung für Motorradreifen verunsichern einige Hersteller aktuell die Motorradfahrer.

 

Ermöglicht wurde das durch Änderungen der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO).

Bislang war es so, dass der Fahrzeughersteller eine Reifen-Empfehlung bzw. -bindung inklusive Freigabe in den Fahrzeugpapieren vorgab.

Wollte der Halter einen anderen Reifen fahren, benötigte er eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Reifenhersteller, der eben diesen Wunschreifen zuvor bereits ausgiebig auf dem entsprechenden Fahrzeugtyp geprüft und für gut befunden hat.

Daran hat sich grundsätzlich auch nichts geändert.

 

Was aber, wenn sich ein Fahrzeughersteller von der Reifenbindung distanziert?

Auf den ersten Blick sieht es dann so aus, als ob sich der Fahrzeughalter nach Herzenslust auf dem Markt umschauen und bedienen könne, ohne auf irgendwelche Freigaben achten zu müssen.

Das aber ist ein Trugschluss. Denn nach wie vor fordert der Gesetzgeber vom Halter eine ausgewiesene Reifenfreigabe.

Im Fall von Aprilia / Benelli / Suzuki schenkt sich der Fahrzeughersteller allerdings die aufwändigen und kostenintensiven Tests und gibt die Verantwortung damit automatisch an den Kunden bzw. die Reifenhersteller weiter.

Auf diese Art umgeht der Fahrzeughersteller ganz nebenbei auch die Produkthaftung - zumindest was die eng miteinander gekoppelten Bereiche Fahrsicherheit und Reifen betrifft.

 

Hintergründe Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ist zuständig für die Erteilung von Betriebserlaubnissen (ABE) und Typgenehmigungen nach nationalen bzw. internationalen Rechtsvorschriften.

Reifenfabrikats- oder sonstige Bindungen der Reifen, wie sie bislang in im alten Fahrzeugschein bzw. -brief unter der Zeile 33 (Bemerkungen) eingetragen waren, auch bei den neuen Fahrzeugpapieren (Änderung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften vom 25. April 2006, Zulassungsbescheinigung Teil I und II, Feld 22) geführt werden. Grundlage dafür waren in der Vergangenheit entsprechende Einschränkungen in der jeweiligen ABE nach den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO), die mittlerweile in der EG-Typgenehmigung nach EG-RL 92/61/EG und 2002/24/EG verankert sind. Soviel erst mal aus dem Amts-Chinesisch des erfreulich kooperativen Kraftfahrtbundesamtes.

 

Nach Auffassung des BMVBS ist in jenen Fällen, in denen aufgrund der komplexen physikalischen Zusammenhänge ein sicheres Führen von Krafträdern nur mit einer vom Fahrzeughersteller genannten Reifen möglich und dieses in den Genehmigungsunterlagen in Form einer Beschränkung ausgewiesen ist, der ausgewiesene Fahrzeughalter / Fahrer von diesem Sachverhalt ausdrücklich zu informieren.

Diese Interpretation wurde im Übrigen daraufhin auch so mit der Europäischen Kommission abgestimmt. Maßgeblich war an diesem Entscheid die Tatsache, dass auch Fahrzeughersteller vor dem Hintergrund der fahrdynamischen Besonderheiten von Einspurfahrzeugen keine Alternative zu der eingeschränkten Verwendung von Reifen haben. Sprich: Im Vordergrund der geänderten Rechtsvorschriften standen von vornherein Fahrzeugsicherheit und Stabilität, sodass die in den Fahrzeugdokumenten genannten Fabrikatsbindungen - sowie sonstigen Einschränkungen - auch in Zukunft das Maß der Dinge sind.

 

Worauf sollte der Motorradfahrer bei der Reifenwahl also besonders achten?

Die Antwort ist einfacher als es die auf den ersten Blick verstrickt anmutende Rechtslage vermuten lässt.

Wer sich auf nicht getestete Reifen ohne Freigaben bzw. Unbedenklichkeitsbescheinigung einlässt, darf sich später nicht beschweren, wenn er sich um Kopf und Kragen fährt. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Reifenherstellers muss laut Gesetzgeber dennoch mitgeführt werden.

Selbst wenn in den Fahrzeugpapieren keine Reifenbindung besteht.

Dass der Polizeibeamte vor Ort die Freigaben in der Regel gar nicht nachprüfen kann, steht auf einem anderen Blatt.

Dazu wäre eine Vernetzung mit einer TÜV- oder Hersteller-Datenbank erforderlich, die zumindest im Moment noch nicht existiert. Im Fall einer Mängelkarte hat der Halter dann eine Woche Zeit, um sich eine gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung zu besorgen (Reifenhersteller, Internet, Foren) und diese auf einer Polizeiwache vorzulegen.

 

Bikersjournal.de sprach dazu mit Thomas Decke, Pressesprecher Polizei Mettmann / NRW:

"Grundsätzlich ist es so, dass der Halter, der mit nicht freigegebenen Reifen unterwegs ist, eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, die zum Erlischen der Betriebserlaubnis führt. Laut Bußgeldkatalog werden somit 50 Euro fällig. Gratis gibt's 3 Punkte in Flensburg dazu. Allerdings ist es für die Beamten vor Ort nicht immer einfach überhaupt festzustellen, welche Reifen denn nun tatsächlich für das betreffende Fahrzeug freigegeben sind. Hat der Fahrer nicht die in den Fahrzeugpapieren vorgesehenen Reifentyp montiert und keine dazugehörigen Freigabe vom Reifenhersteller dabei, kommt es schlimmstenfalls zu einer Mängelkarte und somit zu einer schriftlichen Aufforderung, das entsprechende Papier innerhalb einer Woche bei einer Wache vorzulegen. Ob nun eine Freigabe erforderlich ist oder nicht, ist es doch so oder so der sicherste Weg, nur ausdrücklich freigegebene Reifen zu montieren. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand."

 

Jürgen Frank vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS):

"Es gibt für den Motorradhersteller keine rechtliche Verpflichtung, eine Beschränkung in der Typgenehmigung in Form einer Fabrikatsbindung für Reifen vorzunehmen. Die Notwendigkeit, eine Beschränkung in Form einer Fabrikatsbindung vorzunehmen, ergibt sich aus den Fahreigenschaften des jeweiligen Motorradtyps. Die Verantwortung dafür, dass alle auf dem Markt befindlichen typgenehmigten Reifen in den für den Motorradtyp vorgegeben Reifengrößen zu keinen fahrdynamischen Sicherheitsproblemen führen, trägt der Hersteller selbst. Werden jedoch die notwendigen Fahreigenschaften nur mit bestimmten Fabrikaten erreicht und somit in der Typgenehmigung-Genehmigung aufgeführt, sind diese Beschränkungen für den Verbraucher bindend."

 

Verzichtet ein Fahrzeughersteller auf sicherheitsrelevante Reifenfreigaben, ist es naheliegend, dass in diesem Fall wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen könnten.

Allein im Jahr 2007 präsentierte der japanische Motorradhersteller Suzuki mindestens sechs neue Motorräder. Das komplette Programm zwischen 400 und 1.800 ccm umfasst zu diesem Zeitpunkt 22 straßenzugelassene Modelle (Quelle: 'MOTORRAD Katalog 2007').

Klar hingegen die Frage, wer bei einem Unfall durch Reifenschaden haftet, wenn der Fahrzeughersteller keinerlei Bindung mehr vorgibt oder nur eine, die vielleicht nicht mehr produziert wird.

Dann nämlich geht der 'Schwarze Peter' an den Halter des Fahrzeugs. Es sei denn, der Reifenhersteller hat von sich aus das jeweilige Fahrzeug mit dem betreffenden Reifen ausgiebig getestet und folglich eine offizielle Freigabe erstellt. In diesem Fall würden die Kosten zu Prüfung und Erstellung des Gutachtens bei den Reifenherstellern hängen bleiben.

 

Keine Reifenbindung vom Fahrzeughersteller heißt nicht, dass man nach gut dünken Reifen montieren kann, sprich: es ist nach wie vor ein Gutachten erforderlich.

Keine Vorgaben vom Fahrzeughersteller heißt auch keine Haftung durch den Hersteller.

Schließlich hat dieser den Reifen ja nicht empfohlen.

Und wenn der eventuell in der Betriebsanleitung empfohlene Reifen in der schnelllebigen Zeit von Heute vielleicht schon bald nicht mehr angeboten wird?

In diesem Fall ist der Fahrzeughersteller haftungsmäßig ebenfalls fein raus - und hat sich obendrein die Kosten für Freigaben gespart.

So gesehen handelt es sich also um rein betriebswirtschaftliche Aspekte und kein Mehr an Freiheiten für den Biker.

Eher um ein Mehr an Eigenhaftung.

 

(Quelle Biker Journal 03.10.2007)

Bearbeitet von ride on
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